Donnerstag, 29. Dezember 2011

Guzman in Bildern - Nostalgie des Licht

"We are part of the Universe. My calcium in my bones was there from the beginning..."















Nostalgie des Lichts (Patricio Guzman, 2010)

- What did you find of your brother?
- A foot. It was still in his shoe. Some of his teeth. I found part of his forehead, his nose, nearly all of the left side of his skull. The bit behind the ear with a bullet mark. The bullet came out here. That shows he was shot from below. I don't know wich position he was in. They finished him off with a bullet in the forehead. All of this part of the skull was shattered. They shot him twice in the head. I remebered his tender expression and this was all that remained a few teeth and bits of bones.

OT - Nostalgia de la luz
Regie - Patricio Guzman
Kamera - Katell Djian
Erscheinungsjahr - 2010
Laufzeit - 90 Minuten




Patricio Guzman greift nach den Sternen bis in die tiefen des Universums hinein zu dessen chaotisch großer Zusammensetzung um es in gleicher Sorgfalt mit uns Menschen zu verbinden. Ähnlich wie auch Malick in Tree of Life kreiert Guzman in seiner essayistischen Darbietung ein Zeugnis der conditione humaine welche nie losgelöst von den in ihr implementierten und bewusst oder unterbewusst einbrannten Erinnerungen der Vergangenheit sein kann. Viel mehr noch als das. Da so etwas wie die Gegenwart de fecto ja überhaupt nicht existiert und wenn nur ein fragiles Gebilde ist welches wir Menschen nur erschaffen haben um eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft zu bilden auf welcher wir scheinbar friedlich und ohne Sorge verweilen können so mag die Vergangenheit in Wahrheit die einzige Wahrnehmbare Realität sein die wir sehen können. Prozessieren wir doch nie vom Fleck weg, braucht das Licht welches meiner Umgebung Gestalt verleiht trotz enormer Geschwindigkeit immer noch etwas Zeit bis es bei uns angelangt und wir es verarbeitet haben. Guzman verbindet verschiedene Ereignisse und Tatsachen wie die Astronomen in ihren Observatorien in der Wüste Accatone welche gen Himmel blicken sowie der gleichnamigen Wüste inne lebenden düstere Geschichte nicht einfach miteinander weil es sich Räumlich anbietet. Nein. Er erzeugt eine poetische Verbindung zwischen ihnen und ihren tieferliegenden Instanzen sowie Gemeinsamkeiten welche nicht nur sie heimsuchen sondern jeden von uns. Guzman hat uns alle hier in diesem Film. Ein mystisch traurig schöner Blick in die ferne welche vor und hinter uns liegt dessen unheimliche innere Komplexität in ihrer weite den Kosmos widerspiegelt.

Sonntag, 25. Dezember 2011

The Face Of Another

"Ich schau dir ins Gesicht...."

OT - Tanin no kao
Regie - Hiroshi Teshigahara
Drehbuch - Kôbô Abe
Kamera - Hiroshi Segawa
Erscheinungsjahr - 1966
Laufzeit - 124 Minuten



Die dritte Kollaboration von Hiroshi Teshigahara, Kôbô Abe und Tôru Takemitsu adaptiert und ergründet ein weiteres mal die Soziale Beschaffenheit des Ichs und dessen kaum zu integrierbaren Platzes in der bald vollkommen einheitlichen Gesellschaft. Das Individuum als hin fort treibende Welle im Ozean des Ganzen. Exemplarisch vorgeführt und entlarvt an unserem Gesichtslosen Hauptakteur. An sich ein Visionäres Werk des Japaners. Sieht man es doch erst heute im Zeitalter des Internets wie Anonymität das Sein dominiert und eine Gesichtslose Gesellschaft wie vom Strom erfasst sich nicht mehr frei zu bewegen weiß. Waghalsig und äußerst dreist in seiner Umsetzung gelingt Teshigahara auch die Implementierung des Subplots einer jungen, äußerst Attraktiven aber auf der einen Hälfte ihres Gesichtes vernarbten Frau dessen Szenen man an einer Hand abzählen kann und die sich so nur Thematisch mit dem Hauptplot verbinden lässt. Wo andere Regisseure verzweifeln würden schafft es Teshigahara das Schicksal der Frau perfekt mit den Fragen des Films zu verbinden und sogar einen Emotionalen Kern zu erzeugen den der bewusst kühl gehaltene Hauptplot selten zeigt. Charakterstudie einer Gesellschaft wie eine lyrische Avant-Garde Horrorshow. Wo sind die Grenzen wenn es keine Konsequenzen gibt?

Montag, 19. Dezember 2011

21th Century Cinema in Images - L'Intrus




















Der Feind in meinem Herzen (Claire Denis, 2004)

"Your worst enemies are hiding inside."


OT - L'intrus
Regie - Claire Denis
Drehbuch - Claire Denis, Jean-Pol Fargeau, Jean-Luc Nancy
Kamera - Agnès Godard
Erscheinungsjahr - 2004
Laufzeit 120 Minuten


Es gibt diverse Arten einen Film zu machen. Etwas zu erzählen. Etwas uns fühlen oder uns denken zu lassen. Gibt es doch nicht nur eine Sprache des Filmes sondern diverse. Zahlreiche sogar, alle mit ihrer eigenen Kraft und Daseinsberechtigung. Das diese Tatsache für Zuschauer sowie zahlreiche Filmschaffende immer noch eine unbekannte zu sein scheint ist traurig, keine Frage. Speziell wenn man eine spezifische Grammatik irgendwann so sehr beherrscht das alles was sich ihrer bemächtigt nur noch träge und lustlos aufgenommen wird von dem der eigentlich ein aktiver Partizipant in der Kreation des Kunstwerks sein soll. Stimulation, sei es die des Geistes oder des Herzens, ist dann lange schon ein Fremdwort geworden. Doch macht diese Abstinenz von wahrlicher Innovation in der Kunst, diese vollkommene leere in der Ausreizung dieser individuellen Sprache es nur noch mystischer und frischer wenn jemand auf ein mal kommt und in einer vollkommen neuen Sprache mit einem redet. Claire Denis erreicht in diesem Film nun endlich eine für sie neue Ebene der filmischen Sprache. Eine welche sich über mehrere Filme selbst zu entwickeln versuchte. Es erfordert also vollste und ungebrochene Aufmerksamkeit um zu hören und zu sehen. Um zu verstehen was sie sagt. Es ist Neuland, von ihr unerklärtes Neuland welches man betritt. Keine Exposition, außer in den temporären Gesten, den Körpern und ihrer Platzierung im Raum. Erinnerung in einer rissigen Zentrifuge. Vermischt und getrennt in Zeit und Realität. Das einzige was bleibt sind Bilder und Töne um zu verstehen. Um sie zusammen zu halten. Sie in einem Schnitt aber wieder zu zersplittern. Es ist eine Existenz so verloren in sich selbst wie die des Charakters welchem wir folgen, in welch ungreifbares inneres wir eintauchen und und in welch Wahrnehmung wir uns verlieren. Wiederholtes betrachten ist hier notwendig zur Kommunikation! Denn was Claire Denis hier gemacht hat ist unglaublich unbekannt und fordernd da, obgleich tatsächlich für das geschulte Auge grammatikalische Ähnlichkeiten in filmischer Sicht zu anderen Filmen erkennbar sind (hauptsächlich Yoshidas Heroic Purgatory und Manns Miami Vice), L'intrus trotz alledem durch und durch singulär in seiner Sprache ist. Eine wahrliche Evolution, und kaum einer hat es bemerkt.

Freitag, 16. Dezember 2011

Yi Yi – A One and a Two (Edward Yang, 2000)

"Wir leben drei mal so lange, seitdem der Mensch den Film erfunden hat."

OT - Yi Yi
Regie & Drehbuch - Edward Yang
Kamera - Yang Wei-han
Erscheinungsjahr - 2000
Laufzeit - 173 Minuten



Der kleine Yang-Yang, jüngstes Mitglied der von uns beobachtenden Familie , steckt in einer Krise. Einer Gewaltigen. Ihm ist eine tragische Einsicht gekommen als er von ein paar Mädchen, während eines großen Familienfotos bei der Hochzeit seines Onkels, ständig an den Hinterkopf gestupst worden ist aber nie sehen konnte wer der Übertäter genau war der ihn so malträtiert. Darauf kam ihm die Einsicht das alle von uns Menschen ja nur ein Teil der Wahrheit sehen können, ist unsere Perspektive doch so ausgestattet das wir nie unseren eigenen Hinterkopf sehen können. Dies bereitete ihm Sorgen, hieße dies doch das wir Menschen nur einen Teil der Welt erblicken können. Da es aber auf fast jedes Problem auch eine Lösung gibt machte es sich Yang-Yang zur Aufgabe den Leuten dieses fehlende Stück Wahrheit zu zeigen. Also nahm die Kamera seines Vaters und photographierte von nun an die Hinterköpfe von diversen Leuten.



Ab jetzt scheint es wohl passend zu erwähnen das Yang-Yang selbst, neben der Tatsache das er natürlich auch eine vollkommen eigenständige sowie ins Detail ausgearbeitete Persönlichkeit ist, auch als eine Art Spiegelbild Edward Yangs fungiert. Edward Yang selbst macht es sich nämlich auch zur Aufgabe in seinem letzten Film YiYi uns die blanken Flächen in unserer Wahrnehmung sichtbar zu machen. Er zeigt uns das was wir selbst nicht in der Lage sind zu sehe durch die Limitationen welche jeden von uns inne wohnen. Und es ist jetzt wahrlich ein schweres unterfangen nun nicht in glorifizierende Adjektiv Schlacht auszubrechen. Dies würde zwar die momentanen Gefühle gut widerspiegeln aber den Film viel zu sehr unter Wert verkaufen. Und das will man ja bei solch einem Werk tunlichst vermeiden. Doch ist es solch ein enorm Persönlicher Film, welcher es auch verlangt das man ihn als solch einen erfährt. Yang inszeniert sein Universum mit einer zurückhaltenden Demut mit welcher er all den ihr inne-lebenden Personen immer versucht genug Distanz zu geben um zu Atmen, mit all ihren Fasern. Yang verzichten weitestgehend darauf filmische Techniken zur Manipulation der Gefühle zu benutzen um seinen Punkt deutlich zu machen oder unsere Wahrnehmung auf etwas bestimmtes zu fokussieren womit er nämlich in enorm hinderndes, konstruiertes dramatisieren bestimmter Ereignisse abrutschen würde.


Er macht uns klar das dies ein Bruch der anfangs aufgeführten Intention wäre und seine Perspektive auf uns zwingen würde. Doch kann jeder Mensch, auch er, nur durch seine eigenen zwei Augen sehen was im Täglichen Leben, wie er aufzeigt, nicht selten Schwierigkeiten sowie Leid bringen kann. Yang lässt uns manchmal deswegen auch nur die Spiegelbilder und Silhouetten der Personen erblicken um auch uns dem Zuschauer zu signalisieren, obgleich des introspektiven Feingefühls mit welchem er seien Charaktere behandelt, das auch wir nur egal wie "richtig" das alles sich anfühlt gebremst werden durch unsere Auffassung. Er hält uns auf Abstand lässt uns in gleichem Zuge aber tief hinein, eine Fähigkeit selten so sicher durchgeführt wie hier. Dies ist dann wahrscheinlich aber auch der Grund warum der Film diese Kraft besitzt. Er zeigt uns unsere eigenen grenzen als Menschen und wie wir sie aber auch nützen können um in all dem Leid und den Problemen welches das Leben in unserer ewig treibenden Gesellschaft mit ihren Spiegelbildern und Isolierten Gedanken auch Fragmente der Wahrheit sehen können welche unsere eigene Perspektive, so unvollständig sie auch immer bleiben mag, zu ergänzen und uns sowie andere Menschen dadurch besser verstehen zu können. Eines der substantiellsten Werke des Kinos.

Mittwoch, 14. Dezember 2011

What time is it there? (Tsai Ming-liang, 2001)

"What is the time now in Paris?"

OT - Ni na bian ji dian
Regie & Drehbuch - Tsai Ming-liang
Kamera - Benoît Delhomme
Erscheinungsjahr - 2001
Laufzeit - 116 Minuten








Der Vater stirbt. Die Mutter verwirrt sich in Buddhistischen Lehren und wartet auf die Reinkarnation des Mannes. Ist er die Kakerlake in der Küche oder der Fisch im Aquarium? Wer weiß. Der Sohn schon gar nicht weswegen er seiner Mutter nur unbeholfen zusehen kann. Zusehen wie die Zeit verstreicht. Die in seinem Leben und auf all den Uhren die er täglich in den Straßen Taiwans verkauft. Die Zeit die er auf all den Uhren die er sieht sieben Stunden vor stellt nachdem das hübsche Mädchen welches eine seine Uhren wollte ihm von Paris erzählte. Den dort wird sie bald hin fliegen. Wieso? Weiß sie wohl selber nicht. Den alles was sie in Paris zu machen scheint ist Ziellos herum zu wandern, in Cafés zu sitzen, in Parks ein zu schlafen und auf einem Friedhof die Telefon Nummer von jemandem Namens Jean-Pierre (Léaud) zu erhalten. Der war ja mal in so einem Film so weit ich weiß. Ganz bekannter Nouvelle Vague Vertreter. Wie heiß der noch? Naja is ja auch egal. Der Uhren-Typ in Taiwan kennt den bestimmt hat er sein Interessenfeld von Uhren ja nun auch mit Frankreich erweitert, speziell dessen Filme. Da sieht der sich auch immer so ein Film an in dem so ein Junge geküsst und geschlagen wird( Wortwitz haha). Gemeinsam haben aber die Mutter, der Sohn und das Mädchen aber trotzdem so einiges. Von Einsamkeit bis zur Distanzierung und Verfremdung mit der Welt. Das ganze Potpourri eben. Gemeinsamkeiten und Gefühle die uns Tsai Ming-liang nicht nur zu zeigen versucht sondern dank seiner Bildsprache es auch schafft solche in uns zu erzeugen. Am Ende ist die Welt die gleiche. Unsere Protagonisten schlafen jeweils auf ihrer Seite der Weltkugel. Das Riesenrad dreht sich. Genauso wie die Zeit. Alles was ihnen bleibt ist die Gegenwart.

Dienstag, 13. Dezember 2011

Tale of Cinema

"Thinking is necessary."

OT - Geuk jang jeon
Regie & Drehbuch - Hong Sang-soo
Kamera - Kim Hyung-ku, Young-rho Kim
Erscheinungsjahr - 2005
Laufzeit - 89 Minuten




Was ist Kino? Dies ist eine essentielle Frage des Verständnis welches zu Beantworten schon die Aufgabe vieler Regisseure war. Ist es doch erst wenn man etwas verstanden hat das man es wirklich effektvoll einsetzten kann. Mit Tale of Cinema scheint Regisseur Hong Sang-soo aber eine Frage zu stellen die bis dato so gesehen noch gar nicht Existierte aber mit der gleichen Vorsicht behandelt werden sollte wie erstere. Hong fragt: Wo ist das Kino? Mit seiner einfach aber enorm komplexen Struktur des Films im Film gibt er uns die Antwort verpackt in subtiler Einsicht. Das Kino ist überall. Es ist in unseren Gesten und Bewegungen. In unseren Aktionen sowie unseren Reaktionen. Verbunden durch ein scheinbar unsichtbares Glied, unserem Bewusstsein oder eben unserer Wahrnehmung. Hong gibt uns eine Struktur, noch gerade so kohärent und schlüssig um ihr zu folgen nur um sie nach einem drittel zu verwerfen und uns in eine Stimmung der Verwunderung und befremdlichem Staunen zu stürzen. Er bringt uns näher an die Figuren und seinen Film heran sowie er in gleichem Zuge uns von ihnen entfernt. Deshalb auch der stetige Gebrauch vom hinein und heraus Zoomen des Bildes welche uns in ständigem bewegen zwischen den Realitäten des Films und unserer eigenen zu halten scheint. Nie sicher wo wir sind und stetig auf der Suche. Wo ist das Kino? Hong hat es gefunden, oder jedenfalls weiß er jetzt und der Zuschauer, der sich glücklich schätzen kann Tale of Cinema gesehen zu haben, wie unsere Auffassung im Konstrukt der gestellten Realität ohne weiteres die Wahrheit von der Lüge nicht unterscheiden kann und die eine mit ins andere zieht. Die Realität ist eben doch überall. Genauso wie die Kunst.

The River (Tsai Ming-liang, 1997)

"My neck..."

OT - He liu
Regie & Drehbuch - Tsai Ming-liang
Kamera - Liao Pen-jung
Erscheinungsjahr - 1997
Laufzeit - 115 Minuten



Zu Beginn des Film trifft Hsiao-kang auf eine Freundin die er, wie wir in dem kurz darauf folgende Gespräch zwischen den beiden erfahren, seit zwei Jahren nicht mehr gesehen hat. Sie ist momentan Assistentin bei einem Filmdreh und lädt Hsiao prompt ein mit ihr zu genau diesem zu kommen. Um ein wenig in der pur visuellen Erzähl Form des Tsai Ming-liang zu schwelgen welche in seiner Gesamtheit, wie Roger Ebert es schön sagte ein Querschnitt zwischen Ozu, Bresson, Antonioni, Tati und Keaton ist muss man sich nur mal diese eine Eröffnungsszene und den darauf folgenden Besuch bei dem besagten Filmdreh näher ansehen. Der Film startet und wir sehen zwei nebeneinander liegende Rolltreppen. Die rechte fährt nach oben. Die linke daneben nach unten. Ganz normal eben, nichts besonderes. Nun aber lässt Tsai nach ein paar Sekunden des betrachten dieser Rolltreppen seine Akteure in dieses Umgebung ein. Das Mädchen kommt von oben links ins Bild und geht auf die Rolltreppe welche sie nach unten befördert. Im selben Moment fährt von unten herauf Hsiao-kang. Er fährt nach oben, sie nach unten, beide sich entgegen. Doch erkennen tun sie sich als sie sich entgegen kommen nicht, es ist nur ein kleiner Blick beim treffen der beiden auf gleicher Höhe welcher das Mädchen stutzig macht und sie umdrehen lässt. Sie ruft Hsiaos Name und dieser dreht sich um und erkennt sie nun auch. Nun bewegen sich beide aber in entgegengesetzter Richtung voneinander weg. Es ist solch ein Bild in welchem Tsai die Umgebende moderne Architektur mitsamt allen Objekten zu seinem Vorteil formt und anordnet um die stetige Entzweiung und Isolierung der menschlichen Emotionen zu visualisieren. Und das ist das Ausrufezeichen bei dem Kino des Tsai Ming-liang. Er visualisiert aber das ohne zu viel durch Schnitte zu kommentieren, dies will er dem Zuschauer überlassen. Das besondere aber daran ist weiterhin das ein Tsai nie bedeutungsvoller und wichtiger erscheinen will als es ihm lieb ist, in allem was er macht steckt eine Komik die man so nie erwarten würde. Als beide Seelen sich nun nämlich erkannt haben rast das Mädchen so schnell wie möglich nach unten um die Rolltreppe nach oben zu nehmen währen Hsiao versucht nach unten zu laufen nur um zu merken das die Rolltreppe, welche ja nicht aufhört nach oben zu fahren, ihn immer wieder mitzieht und er nun auf einer stelle wie ein Hampelmann rennt ohne in eine Richtung zu gelangen. Dies ist aber nur eine von mehreren Szenen in der sich die Komik in einen Film schleicht bei dem es so eigentlich so gar nichts zu lachen gibt. Das dies Tsai aber nicht viel kümmert ist vielleicht mit eine seiner größten Stärken, das er inmitten all der Depression, Verstörtheit und Menschlichen Verwesung nie seinen Sinn für Humor verliert. Das schaffen nicht viele. Nun aber zur zweiten Szene, dem Filmdreh. Wir werden Zeuge wie eine Filmcrew an einem Kanal eine eigentlich einfache Szene drehen will. Eine Leiche soll im Wasser umher schwimmen. Das ist alles. Nur haben sie nur einen steifen Dummy parat welcher egal wie oft sie ihn ins Wasser schmeißen und egal wie sehr sie ihn mit Dreck einreiben nicht wirklich das Ergebnis bringt welches die Regisseuren will. Bei solch Krisen ist es natürlich immer gut einfach mal eine Pause einzulegen was dann auch gemacht wird. Während dieser Pause aber trifft die Regisseurin den nun anwesenden Hsiao. Dieser wird von ihr überredet, obwohl das Wasser wie er sagt ja ganz schön dreckig sei, die besagte Leiche zu spielen. Umringt von der Kamera, Beleuchtung, Regisseurin, Filmteam und Schaulustigen steigt er also ins dreckige Wasser. ACTION. Der Mensch als ziellos umher treibende Leiche umgeben voller Dreck. Unbezahlbar Lustig! Unbezahlbar Ernüchternd! Das Kino des Tsai Ming-liang. Eine einzigartig Erfahrung, immer und immer wieder.

Montag, 12. Dezember 2011

Jeanne Dielman, 23 Quai du Commerce, 1080 Bruxelles

"How was school?"

Regie & Drehbuch - Chantal Akerman
Kamera - Babette Mangolte
Erscheinungsjahr - 1975
Laufzeit - 200 Minuten


Der Tag beginnt. Es ist immer noch dunkel draußen. Jeanne Dielman nimmt sich ihren Wecker vom Nachttisch und sieht nach der Uhrzeit. Ein Ritual welcher eigentlich unnötig erscheint sieht es doch so aus als liege Jeanne schon ein paar Minütchen wach in ihrem Bett. Muss sie sich, so mutet es an, gar nicht auf die externe Zeitangaben verlasen, weiß sie doch genau das es jetzt Zeit ist sich an die Arbeit zu machen. Wenn aus Gewohnheit durchkomponierte Routine wird. So steht sie also auf, zieht ihren Morgenmantel an, schaltet das Licht in ihrem Zimmer aus und macht sich auf den Weg ins Wohnzimmer in welchem ihr Sohn auf der ausgezogenen Couch schläft. Sie geht zum Ofen neben seinem Bett und heizt ihn etwas an. Lässt den Sohn aber noch etwas schlafen. Zuerst sammelt sie nämlich seine herumliegenden Klamotten ein, geht in ihr Zimmer zu dem großen Schrank an der Wand und sucht ihm neue Klamotten raus für den Tag. Jeder Handgriff sitzt. Ganz die Mutter eben. Sohnemann wird aber auch dann noch nicht aufgeweckt, erst geht es ab in die Küche um das Frühstuck samt Kaffee vorzubereiten. Ist dies getan lehnt sich Jeanne für sage und schreibe eine halbe Minute an der Wand ab, verschränkt die Beine und nimmt einen Schluck aus der nun frisch zubereiteten Kanne Kaffe. Ruhe. Die keine ist. Nicht etwa weil es danach noch einiges zu tun gibt für die liebe Jeanne, nein das ist es nicht was die Ruhe stört. Obwohl "stört" da wirklich das falsche Wort ist, denn dafür müsste erst mal etwas existieren das es zu stören gibt. Wenn etwas gestört wird dann ist es nämlich nicht die Ruhe sondern die Routine. Scheint Jeanne nämlich, und jetzt wird wichtig, gar nicht zu wissen was sie mit dieser Ruhe anfangen soll, mit diesem dastehen. Mit diesem aufsaugen des nichts. Passt es doch nicht in ihr Leben welches weniger Leben sondern mehr System ist. Eines welches effizient und perfekt durchgeführt den Alltag regelt aber im gleichen Zuge die eigene (emotionale sowie psychische) Entfremdung auf den Plan ruft. Deshalb gewährt Chantal Ackerman Jeanne (und uns) im ganzen Film (über 200 Minuten) auch nur am Ende, nach dem schockierenden Ausbrechen aus dem System (oder eben der Korrektur dessen, wie man es nun sehen will), wirkliche und vollkommene Ruhe. Dann aber auch für mehrere Minuten und dank Ackermans faktischem Zeitverständnis, welches so den ganzen Film durchzieht, auch ohne filmische Diktatur ihrerseits die unsere Gedanken in zu streng vorgeschriebene Bahnen lenkt. Einfach nur aufsaugen dürfen wir. So wie Jeanne in diesem Moment am Ende die nun existierende Ruhe aufsaugt. Im Nichts schwelgt. Ein einmaliger Film der uns mit seiner Repetition, seiner Trivialität, dem detaillierten aufzeigen dessen was generell betrachtet das komplette Gegenteil von Dramatik zu sein scheint und der filmische Gleichsetzung dieser Aspekte mit minimalistischer Virtuosität direkt in das Leben der Jeanne Dielman aus der Quai du Commerce 23 in 1080 Bruxelles transportiert. So sehr das sogar das simple herunterfallen einer Schuhbürste zum panischen aufschrecken wird.


Sonntag, 11. Dezember 2011

Guilty of Romance

"I'm a dirty whore!"

OT - Koi no tsumi
Regie & Drehbuch - Sion Sono
Kamera - Shohei Tanikawa
Erscheinungsjahr - 2011
Laufzeit - 112 Minuten



Sonos Intention ist die uns vorzuführen (nicht aufzuzeigen) das Menschlichkeit etwas hässliches ist. Etwas voll gepackt mit aggressiven Emotionen welche durch ihre Intensität irgendwann immer bei jedem in explosionsartiger Willkür in jede Richtung ausschlagen und zum Vorschein kommen müssen. Nun ist dies sein Thema, ein Thema welches es solange er es für richtig hält nobel ist nach seinen Ansprüchen filmisch umzusetzen. Das Problem dabei ist nur das Sono nun schon eine ganze Weile im Kreis läuft und es kaum schafft Akzente in die endlose Repetition seines Anliegen zu bringen was Guilty of Romance zu einer sehr lähmende Erfahrung macht. Es ist es ja freilich nichts verwerfliches einen Thematischen Kern zu haben den man weiter verfolgen will selbst wenn es in scheinbar gleicher Art geschieht (man betrachte da nur mal Tsai Ming-liang als Positivbeispiel). Nur bietet sich Sonos Guerilla Stil der Extreme dafür nicht wirklich an da dieser kaum Platz für eigene Gedanken lässt und selbige dann eben dementsprechend durch fehlende mit Einbeziehung die von seinen früheren Filmen sehr bekannte Formel und dessen gesamten Hintergrund schnell entblößen. Seine Aufdringlichkeit und bewusst provozierende Ader mag da ja immer sehr Attraktiv sein und die ausufernde psychische Rage der Charaktere enorm gut widerspiegeln nur ist das nach dem was weiß ich wie vielten male in seiner überfrachteten und schnell abnutzenden Darstellung kaum noch von Interesse für mich. Da kann die Hauptdarstellerin einen noch so guten Job machen, das fühlt sich alles falsch an. Äußerlich sowie, und das ist das schlimmste, innerlich.

Akitsu Springs

"I speak of death and my loved one laughs."

OT - Akitsu onsen
Regie - Yoshishige Yoshida
Drehbuch -  Shinya Fujiwara, Yoshishige Yoshida
Kamera -  Toichiro Narushima
Erscheinungsjahr - 1962
Laufzeit - 113 Minuten






Es dauerte zwar noch weitere drei Jahre bis Yoshishige "Kiju" Yoshida mit A Story Wirtten with Water sein reflektierendes Auge in filmischer Form manifestieren konnte, doch ist das hier trotzdem ein sozusagen wichtiger Beginn in Retrospektive. Akitsu Springs sollte nämlich die erste Kollaboration von Yoshida und seiner (immer noch) Frau Mariko Okada darstellen. Eine Kollaboration welche, laut Yoshida selbst zwar nie Einfluss auf rein filmischer Ebene hatte, in ihrer Langlebigkeit und professionell perfekt auf einander zugeschnittenen Art so gesehen aber dennoch unvergesslich scheint. Akitsu Springs jedenfalls darf sich glücklich schätzen deshalb doch das Wort "wichtig" auf sich zu tragen. Ohne dies muss nämlich angemerkt werden das bei allem Respekt zum Filmemacher und seiner Schauspieler Frau der Film selbst schlecht in der Lage ist darüber hinweg zu täusche das, die zu diesem Zeitpunkt noch fehlende Eigenschaft jedes Bild die inneren Tätigkeiten der zu erzählenden Geschichte sowie der Involvierten Charaktere reflektieren zu lassen, die konzipierte Grundthematik oft in grundloses Melodrama abdriftet. Da wird die Intention und die offensichtliche Vorlage schnell ersichtlich. Akitsu Springs erinnert oft an eine durchgespülte und an der eigenen möglichen Komplexität leidenden Version von Naruses Klassiker Floating Clouds. Yoshida mag zwar einige neue Akzente in der Paarung der Liebenden setzten, welche hier wieder ein emotionales Trauerspiel gegen die Zeit selbst bestreiten, diese bleiben aber mehr konzeptionell interessant als wirklich filmisch. Dies mag jetzt alles wahrlich harsch klingen das weiß ich auch, so ist der Film nämlich an sich ohne in irgendwelchem Kontext stehen zu müssen ein durchaus betörendes Melodrama das mit seiner farbenfreudigen Bildgestaltung und dem stets schwelgendem Score schwache Herzen durchaus noch schwächer machen kann. Nur ist der Name Yoshishige Yoshida und die damit verbundenen Ehrfurcht vor dem analytischen Genie der filmischen Textur eine so enorme das es schwer fällt Akitsu Springs wirklich erst mal aus diesem Kontext zu reißen. Wenn das aber mal geschafft ist dann bleibt zwar immer noch kein außergewöhnlicher Film zurück aber immerhin ein wirklich liebenswerter und in seinen temporären Aussetzern bezüglich den bekannten Mustern auch ein durchaus interessanter.