"How was school?"
Regie & Drehbuch - Chantal Akerman
Kamera - Babette Mangolte
Erscheinungsjahr - 1975
Laufzeit - 200 Minuten
Der Tag beginnt. Es ist immer noch dunkel draußen. Jeanne Dielman nimmt sich ihren Wecker vom Nachttisch und sieht nach der Uhrzeit. Ein Ritual welcher eigentlich unnötig erscheint sieht es doch so aus als liege Jeanne schon ein paar Minütchen wach in ihrem Bett. Muss sie sich, so mutet es an, gar nicht auf die externe Zeitangaben verlasen, weiß sie doch genau das es jetzt Zeit ist sich an die Arbeit zu machen. Wenn aus Gewohnheit durchkomponierte Routine wird. So steht sie also auf, zieht ihren Morgenmantel an, schaltet das Licht in ihrem Zimmer aus und macht sich auf den Weg ins Wohnzimmer in welchem ihr Sohn auf der ausgezogenen Couch schläft. Sie geht zum Ofen neben seinem Bett und heizt ihn etwas an. Lässt den Sohn aber noch etwas schlafen. Zuerst sammelt sie nämlich seine herumliegenden Klamotten ein, geht in ihr Zimmer zu dem großen Schrank an der Wand und sucht ihm neue Klamotten raus für den Tag. Jeder Handgriff sitzt. Ganz die Mutter eben. Sohnemann wird aber auch dann noch nicht aufgeweckt, erst geht es ab in die Küche um das Frühstuck samt Kaffee vorzubereiten. Ist dies getan lehnt sich Jeanne für sage und schreibe eine halbe Minute an der Wand ab, verschränkt die Beine und nimmt einen Schluck aus der nun frisch zubereiteten Kanne Kaffe. Ruhe. Die keine ist. Nicht etwa weil es danach noch einiges zu tun gibt für die liebe Jeanne, nein das ist es nicht was die Ruhe stört. Obwohl "stört" da wirklich das falsche Wort ist, denn dafür müsste erst mal etwas existieren das es zu stören gibt. Wenn etwas gestört wird dann ist es nämlich nicht die Ruhe sondern die Routine. Scheint Jeanne nämlich, und jetzt wird wichtig, gar nicht zu wissen was sie mit dieser Ruhe anfangen soll, mit diesem dastehen. Mit diesem aufsaugen des nichts. Passt es doch nicht in ihr Leben welches weniger Leben sondern mehr System ist. Eines welches effizient und perfekt durchgeführt den Alltag regelt aber im gleichen Zuge die eigene (emotionale sowie psychische) Entfremdung auf den Plan ruft. Deshalb gewährt Chantal Ackerman Jeanne (und uns) im ganzen Film (über 200 Minuten) auch nur am Ende, nach dem schockierenden Ausbrechen aus dem System (oder eben der Korrektur dessen, wie man es nun sehen will), wirkliche und vollkommene Ruhe. Dann aber auch für mehrere Minuten und dank Ackermans faktischem Zeitverständnis, welches so den ganzen Film durchzieht, auch ohne filmische Diktatur ihrerseits die unsere Gedanken in zu streng vorgeschriebene Bahnen lenkt. Einfach nur aufsaugen dürfen wir. So wie Jeanne in diesem Moment am Ende die nun existierende Ruhe aufsaugt. Im Nichts schwelgt. Ein einmaliger Film der uns mit seiner Repetition, seiner Trivialität, dem detaillierten aufzeigen dessen was generell betrachtet das komplette Gegenteil von Dramatik zu sein scheint und der filmische Gleichsetzung dieser Aspekte mit minimalistischer Virtuosität direkt in das Leben der Jeanne Dielman aus der Quai du Commerce 23 in 1080 Bruxelles transportiert. So sehr das sogar das simple herunterfallen einer Schuhbürste zum panischen aufschrecken wird.
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