Dienstag, 31. Dezember 2013

Public Enemies (Michael Mann. 2009)

"Die the way you lived, all of a sudden ..."

Regie - Michael Mann
Drehbuch - Michael Mann, Ronan Bennett & Ann Biderman
Kamera - Dante Spinotti
Erscheinungsjahr - 2009
Laufzeit - 140 Minuten


Anders als bei Miami Vice, bei welchem ich den Großteil Abneigung mehr einer gewissen Ignoranz zuschreiben will, kann ich bei Public Enemies sehr gut verstehen warum der Film so wenig Anerkennung bekommen hat. Er ist wirklich der falsche Film für eine Generation von Filmfans die immer nach etwas neuem schreien, sich dann aber doch nur in alten (Film)Tugenden wohlfühlen. Denn mit Public Enemies geht Michael Mann noch weiter als mit Miami Vice. Viel weiter. Der radikale Höhepunkt einer seit vielen Filmen andauernden Suche nach neuen Wegen für den amerikanischen Regisseur. Hier ist alles nur noch Skizziert, vom Inhalt bis zu den Charakteren bekommen wir nur grobe Umrahmungen. Charaktere driften ins Bild und wieder hinaus ohne das der Film deutlich ausformuliert. Mann brauch das aber nicht, da sein rigoroses Ausbauen der digitalen Filmtechnik ihm neue filmsprachliche Mittel verleiht um seinen Figuren eine neue Oberfläche zu geben. Er geht vorbei an Geschichte und Erinnerung um an etwas ungenauerem anzukommen, etwas transparentem. Wenn der Film beginnt und wir die großen Mauern eines Gefängnisses sehen, dann ist da mehr zu sehen als das plastische Objekt. Das digitale Bild ermöglicht ihm hier eine Freiheit, die nichts mit dem Wunsch zu tun hat jeden Grashalm in hoher Auflösung zu betrachten, es ermöglicht ihm vielmehr hier jedem Bild eine neue Ebene an Texturen und Expressionen zu verleihen, über welche er dann mit der Kamera streift um bestimmte Emotionen herauszufiltern kann aus dieser endlosen Klarheit und Schärfe. Die Struktur muss sich hier also stetig neu erfinden um mit diesen neu entwickelten Sensibilitäten mitzuhalten. Es ist das wahrscheinlich aufregendste was dem Kino im letzten Jahrzehnt passieren konnte und ein forderndes Erlebnis für Augen und Ohren.

Samstag, 28. Dezember 2013

Zwei Bilder ein Gedanke #2



("Flowers of Shanghai"- Hou Hsiao-hsien/ "Exiled" - Johnnie To)

Donnerstag, 26. Dezember 2013

Experiment in Terror (Jacques Tourneur, 1944)

"You're crazy."

OT - Experiment Perilous
Regie - Jacques Tourneur
Drehbuch - Warren Duff
Kamera - Tony Gaudio
Erscheinungsjahr - 1944
Laufzeit - 91 Minuten


Wo es in "Katzenmensch" oder "Ich folgte einem Zombie" noch Raum für Doppeldeutigkeiten gab im Bezug auf die psychologische Ebene der Figuren, ob sie denn nun verrückt sind oder ob doch etwas mystisches hinter dem Wahnsinn stecken könnte, so ist sich im Vergleich dazu "Experiment in Terror" vollkommen sicher was los ist. Hier geht es ganz klar um den Wahnsinn betrachtet auf rationaler Sicht. Der deutsche Titel deutet es da auch schon an, es ist der Terror eines Menschen aufgedrängt auf den Geist eines anderen um mit kontinuierlicher Irreführung diesen an sich selbst zu binden. Ihn zu kontrollieren. Doch soll diese Deutlichkeit nicht davon ablenken das Tourneu es trotzdem geschickt schafft dem ganzen Film über eine andere Art der Ambiguität aufzubauen. Durch seine subtile Raumgestaltung und verschachtelten Motivationen ist man sich als Zuschauer nie ganz bewusst wer denn nun der verrückte der drei Hauptdarsteller ist. Laut dem Mann ist es natürlich seine Frau, und selbst unser Protagonist der Psychologe gesteht sich ein das ihre Augen etwas verstörendes an sich haben. Doch die Frau vertraut sich dem Psychologe an und besteht darauf das es ihr Mann ist. Und der Psychologe, er bleibt die Konstante im Spiel des Wahnsinns bis uns der Film in einer simplen Szene zeigt das auch er nicht ohne Laster sein könnte: Nach vermutlicher Verfolgung von einem Unbekannten rettet sich der Psychologe in das Apartment/Atelier eines Freundes, eines Künstler. Skulpteur um genau zu sein. Und als der Psychologe dem Künstler seine Vermutungen bezgl. dieses ganzen Wahnsinns erläutert, schwirrt er im Atelier des Künstlers umher. Die Kamera fängt ihn in dieser Szene so ein das ein unvollendeter Kopf aus Lehm, dessen rechte Gesichtshälfte zerrieben ist, stumm aber allseits präsent im vorderen Bildrand verweilt. Also könnte nicht auch unsere Sympathiefigur ein zweites Gesicht haben? Tourneur lässt uns raten und gibt in einem wahrlich explosiven Finale die Antwort auf ein manchmal etwas verworrenes, aber stets faszinierendes Geheimnis dessen Inszenierung erneut seine präzise sowie bedachte Filmgestaltung offen legt. Hier muss man wahrlich sehen um zu verstehen.

Samstag, 14. Dezember 2013

Gravity (2013, Alfonso Cuarón)

"Either way, it's going to be one hell of a ride."

Regie - Alfonso Cuarón
Drehbuch - Alfonso Cuarón & Jonás Cuarón
Kamera - Emmanuel Lubezki
Erscheinungsjahr - 2013
Laufzeit - 91 Minuten


Im Kern ist Gravity eigentlich ein recht simpler Film. Es geht um eine Frau die innerlich verloren ist aufgrund eines tragischen Vorfalls und auf der Erde nur noch ziellos umherfährt, da sie mit ihrem Schmerz (dem des Lebens und seiner unweigerlichen Verluste) nicht umgehen kann. Diese innerliche Ziellosigkeit wird nun von Cuaron gewaltvoll nach außen gezerrt, als Projektionsfläche seiner Überwältigungs-inszenierung sowie einiger metaphorischen Plattitüden. Denn auch hier, weit weg von den irdischen Problemen, verliert sich die Frau aufgrund eines katastrophalen Unfalls in ein zielloses Bewegungsschema. Sie wird so hilflos wie ihr Kind, getrieben von Kräften welcher sie sich nicht mächtig machen kann. Doch nicht nur ihr ergeht es so. Auch die Kamera hat kein Ziel, sie dreht sich um das Geschehen, taucht in es hinein, sieht durch die Augen eines anderen Menschen ohne wirklich zu wissen warum. Der Affekt bleibt hierbei groß, die Emotionen aber flach. Die Form bildet hierbei keine eigene Intelligenz und verrät die eigenen Intentionen viel zu häufig. Erst wird das Ganze zelebriert, der (unendliche) Raum wird strukturiert in einzelnen Einstellungen, doch später kehrt alles wieder zu zahmen Methoden der Filmtechnik zurück ohne wirkliche Bedeutung zu erlangen. Im Endeffekt geht es aber auch kaum um die tiefere Penetration von irgend einem Thema, Bilder wie die nun oft genannte Fötus Symbolik oder Szenen in welchen der ziellose Mensch von einer Vielzahl von Strängen vor dem sicheren Tod bewahrt wird (wie eine Marionette also aufgehalten von etwas Höherem), solche visuellen Signale bleiben eben genau dies - Signale. Einfache Elemente zur einfachen Geschichtsgestaltung die ihren Wert mehr im temporären Affekt sehen. Eine fesselnde Überlebensgeschichte ohne Zweifeln aber eben auch nur dies. Das muss aber natürlich nicht immer schlimm sein.

Montag, 9. Dezember 2013

The Colonel's Account (Louis Feuillade,1907)


Eine Einstellung. Gefüllt mit Personen, Bewegungen und Geschichten. Das Bild als autonomer Mikrokosmos in dem alles passieren kann und darf. Hiervon sollte man eigentlich lernen, allen voran sollte man aber Lachen. Perfektes Kino.

Samstag, 7. Dezember 2013

Zwei Bilder ein Gedanke


("Jeanne Dielman" - Chantal Akerman / "Romancing in Thin Air - Johnnie To) 


Freitag, 6. Dezember 2013

Der Lange Weg nach Cardiff (John Ford, 1940)

"Best thing to do with memories is... forget em."

OT - The Long Voyage Home
Regie - John Ford
Drehbuch - Dudley Nichols
Kamera - Gregg Toland
Erscheinungsjahr - 1940
Laufzeit - 105 Minuten


Weniger Film als Momentaufnahme im Leben bestimmter Personen. Ford erzählt hier keine Geschichte sondern viele Geschichten. Temporäre Ereignisse im Leben von einer Gruppe Seefahrern. Das Leben auf dem ewig treibenden Meer ist für diese trieblosen sowie verlorenen Männer die einzige Flucht vor der Welt als solches. Allein mit den eigenen Fehlbarkeiten und Schwächen, gehen Fords Männer in ihrer Darstellung an den Kern der männlichen Einsamkeit. Heraufbeschwört durch eigene Taten und dem Unvermögen sich den Komplikationen des Lebens zu stellen. Umringt von ihresgleichen, ist es nur das Meer welches ihnen zuhören kann, doch ist dies ohne Anteilnahme für die emotionalen Narben dieser Menschen. Deshalb driften sie umher, betrunken, verlassen oder auf Streit aus, wie das Schiff. John Ford adaptiert die Geschichte verschiedener Theaterstücke von Eugene O'Neill, doch benutzt fast kaum eine Dialogzeile aus seinem Originalmaterial. Der Film ist generell sehr leise angelegt und wirkt wie eine Art Hybrid aus starkem Expressionismus in seiner Form und ebenso starkem Neorealismus in Sachen Struktur, Plot und Narration. Ford findet mit seinem Auge die wirre Mitte und findet in ihr eine Wahrheit welche sowohl durch die naturalistischen Charaktere spricht, sowie durch die tiefe und kontrastreiche Licht-/Schattenwelt in welche die Bilder sie umhüllt. Es ist erst nach so einem Film, in welchem das eine Bild an Bergman erinnert und die andere Szene dann an Tarr, bei welchem man merkt wie wenig so viele angeblich große Regisseure eigentlich für Film als künstlerischen Gegenstand bewerkstelligt haben. Ein großer Film.

Donnerstag, 5. Dezember 2013

The Eighteen Who Stirred up a Storm (Yoshishige Yoshida, 1963)

"You're not man. You're just rats!"

OT - Arashi o yobu juhachi-nin 
Regie & Drehbuch - Yoshishige Yoshida
Kamera - Toichiro Narushima
Erscheinungsjahr - 1963
Laufzeit - 108 Minuten


Gerade mal ein Jahr nach dem farbenprächtigen "Akitsu Springs" und ein Jahr vor dem endgültigen auseinanderbrechen mit seiner Produktionsfirma, hat Yoshida diesen "kleinen" Film gedreht. Klein in der Hinsicht da er a: Zwischen zwei so wichtigen Produktionen in seinem Schaffen kam und b: da er hier ungewohnt naturalistisch und fast schon konservativ auftritt. Die 18 Jünglinge, vom Film und von ihrer Gesellschaft nur als kollektiv betrachtet, sind im Film als Zeitarbeiter beschäftigt und krebsen am Hafen beim Schiffsbau herum. Yoshida benutzt fast nur Amateure im Film und zieht den Film als raues Sozialdrama auf, welches sich vor Ecken und Kanten in seiner Lebenszeichnung nicht drückt. Dabei engt der Film sich aber selten in ein Neo-Realistisches Formverständnis ein, die Bilder sind mal passiv, mal aktiv und mal voller bewussten Kompositionen oder die für Yoshida typischen Einbindungen von der umliegenden Architektur als Repräsentation irgendwelcher Zustände. Archaisch bleibt der Film dabei aber leider trotzdem ein wenig, denn im Kern geht es hier (neben dem Zustand der jungen Menschen als soziale Abfallprodukte) um eine oft gesehene Lehrer-Schüler Thematik. Erst durch ihren Chef (unser Protagonist) lernen die jungen Taugenichtse ihre Gemeinsamkeiten zu schätzen oder ihren Zusammenhalt zu stärken. Der Film ist dabei natürlich nicht frei von subversiven Methoden (oder dem Versuch) um dieses alte Werteprinzip einigermaßen zu relativieren, "die 18" sind ihrem Chef selten hörig, Respekt bekommt er von ihnen auch nie öffentlich (was für sich genommen eigentlich Sinn macht) und eine Vergewaltigung darf natürlich auch nicht fehlen, doch lässt sich dies eher der zugeschriebenen naturalistisch-rauen Progression der Geschichte zuschreiben als irgendeiner tieferen Auseinandersetzung mit dem Thema oder den Problemen der Jugendlichen (positiv Bsp. wäre hier Yoshidas eigener "Bitter End of a Sweet Night"). Am Ende bleibt der Film leider für mich unter seinen Möglichkeiten und über der Oberfläche aufgrund der streckenden Struktur oder der generellen Umsetzung der Thematik, die Bilder sind wie immer schön doch schafft es Yoshida hier nicht wirklich etwas interessantes dahinter zustellen. Leider.