Montag, 27. August 2012

To Live Is Better Than to Die (Weijun Chen, 2003)

"I dreamed about death..:"


OT - Hao si bu ru lai huo zhe
Regie & Kamera - Weijun Chen
Erscheinungsjahr - 2003
Laufzeit - 88 Minuten



In den frühen 90er Jahren ermutigte die Regierung Chinas seine Bevölkerung zum Blutspenden. Man könne sich so ja eine kleine Summe extra dazu verdienen. Gutes würde man natürlich damit auch noch tun. Und es ist im Endeffekt ja sowieso nur ein kleiner Stich. Ein kleiner Stich. So dachten es sich viele damals und gingen zum Blutspenden. Das Ende dieser noch lange nicht erzählten Geschichte ist: 60 % der Spender infizierten sich, aufgrund nicht ausreichender Desinfektion, mit HIV. 60 %. Noch mal: 60 %! Die Tatsache das HIV/AIDS sowie die damit zusammenhängenden Komplikationen damals noch nicht so bekannt waren in diesen Regionen führte dazu das viele der Spender ihr Leben einfach weiter lebten. Mit ihren Ehepartnern. Und dementsprechend auch Kinder zeugten. Dies macht das ganze Elend welches da auf einen zusteuert nur noch unerträglicher. Regisseur Weijun Chen observiert und interagiert mit einer Familie die von diesem Schicksal getroffen worden ist. Es ist eine junge Familie. Mann und Frau sind ca. Anfang 30. Sie sind seid ihrer Kindheit zusammen. Die jeweils erste Liebe. Sie haben drei Kinder. Alle unter 10 Jahren. Eine Geschichte die dem Bilderbuch entspringen könnte, doch ist dies nicht Fiktion. Dies ist das Leben, von seiner bösen (?) Seite. Die gesamte Familie, außer der ältesten Tochter (da sie vor dem Blutspenden gezeugt worden ist) haben AIDS. Vater. Mutter. Die kleine Tochter. Und der noch kleinere Sohn. Nach dem Film mag man sich wahrlich Fragen was der Titel denn nun genau sagen will. Ist das unfassbare, ja unerträgliche Leid was man die vorangegangenen Minuten gesehen hat doch physisch nicht zu ertragen. Und dabei meine ich nicht mal den Schmerz der zu fühlen ist wenn man die Mutter sieht, welche kaum einen Blick auf ihre Kinder werfen kann der nicht von einem Todeswunsch begleitet wird den sie in sich hat seit dem sie weiß was sie ihren Kindern angetan hat. Nein. Man muss nur in die großen fröhlichen Augen des kleinen Mädchen sehen, und schon ist das Leben die Hölle auf Erden. Und wieder kommt man zum Titel zurück. Warum ist es besser zu Leben, wenn selbiges dieses für einen bereit hält. Es ist eine schwierige Frage, eine die wahrscheinlich, speziell im Angesicht solch kosmischem Leids auch keine Antwort hat. Doch gibt es eine, die Sinn macht. Eine die man erst spät sieht. Wenn die Mutter schon längst der Krankheit erlegen ist. Wenn man sieh wie der Vater, selbst nach dem Verlust seiner einzigen Liebe, noch im Leben bleibt. Stark bleibt, für seine Kinder, von denen das jüngste (so ein Arzt) höchstens noch 1-2 Jahre Lebenserwartung hat. Doch er bleibt da, er will und kann seine Kinder nicht alleine lassen. Denn dann wären sie komplett verloren. Doch er bleibt. Und der Titel macht langsam immer mehr Sinn. Und das Leben wird zur gleichen Zeit etwas heller, aber ebenso wohl auch viel dunkler. Denn dies war eben nur eine Geschichte. 60% bleiben unerzählt!

Sonntag, 26. August 2012

Route One/USA (Robert Kramer, 1989)

"Everything's different and nothing's changed."


Regisseur & Kamera - Robert Kramer
Erscheinungsjahr - 1989
Laufzeit - 255 Minuten



Ein episches Werk des Halb-dokumentarischen. Zwei Männer reisen durch Amerika, genauer gesagt folgen sie auf ihrer Reise der Route One, welche vom Norden Amerikas bei der Kanadischen Grenze anfängt und die ganze Ostküste hinunterläuft bis nach Miami. Der eine ist der Regisseur Robert Kramer welcher die Kamera operiert. Der andere heißt Doc und ist ein fiktionaler Charakter (gespielt von Paul McIsaac) welcher für Kramer und für uns als Ventil nach außen funktioniert. Als Ausweitung einer Idee die mit den Personen und Landschaften welche besucht werden direkter agieren kann. Auf ihrer Reise dokumentieren die beiden Fragmente eines Amerikas in den späten 80er. Ein Amerika teils beschäftigt mit dem Wiederaufbau alter Werte welche in der "freien" Dekade zuvor verloren gingen. Und ein Amerika im Umgang mit dem Kapitalismus und dessen Opfer in den Unterschichten. Doch sind das alles nur Fragmente. Fragmente welche aber doch ein halbwegs fragiles Gesamtbild entstehen lassen am Ende der Reise. Ein sehr fragiles, da die Bilder immer zwischen nüchternem observieren und poetischem auffangen variieren und klare Definition erschweren. Die ewige Faszination für das aufgezeigte und dessen (vermutlichen) Kontext geht über die 4 stündige Reise aber nie verloren.

The Battle of Chile (Patricio Guzman, 1975)

"I don't vote."


OT - La batalla de Chile
Regisseur - Patricio Guzman
Kamera - Jorge Müller Silva
Erscheinungsjahr - 1975
Laufzeit - 272



Der Film beginnt mit einem Mann mit Mikrofon der durch die Straßen Santiago de Chiles hechtet um Personen zu der bevorstehenden Wahl zu befragen. Wen sie denn wählen? Wie viel Prozent die bevorzugte Partei wohl bekommen mag? Ode auch wie die Zukunft Chiles aussieht? Obwohl die ersten Minuten es vielleicht etwas suggerieren, ist Guzmans "The Batle of Chile" keine Dokumentation welche in chronologischer Vorgehensweise die Ereignisse Anfang der 70er in Chile im Detail und zum generellen Verständnis wiedergeben. Guzman gestaltet den Film, welcher in sich noch mal in drei Teile aufgeteilt ist, leicht fragmentarisch. Es werden zwar größere Ereignisse kontinuierlich verfolgt, wie zum Beispiel der Coup im September 1973 gegen Allende, doch springt der Film oft, vor allem im letzten Teil, gerne mal in der Zeit herum oder hört Minutenlang diversen Leuten von allerlei Gesinnung zu wie diese darüber Diskutieren was mit ihrem Land nun geschehen muss damit sich was ändert. Und obwohl die Tatsache das ein Erzähler ab und an Ereignisse kommentiert und/oder erklärt dem generellen Cinéma vérité Stil des Filmes entgegensteht, bleibt er trotz alle dem ein spürbares Zeitdokument. Eines welches selbige Zeit wie schon angesprochen nicht minutiös erklären will sondern eher versucht das damals chaotische Gefühl der politischen Spannungen auf allen Seiten (und dessen Auswirkungen auf die untere Arbeiterschicht) aufzubewahren.



Freitag, 10. August 2012

Die Schwestern von Gion (Kenji Mizoguchi, 1936)

"Why do there even have to be such things as geisha?"


OT - Gion no shimai
Regisseur - Kenji Mizoguchi
Drehbuch - Yoshikata Yoda
Kamera - Minoru Miki
Erscheinungsjahr - 1936
Laufzeit - 69 Minuten



Wo Osaka Elegy, welcher im gleichen Jahr entstand, noch kurzzeitig verboten worden ist aufgrund "Dekadenten Tendenzen" wurde Die Schwestern von Gion als bester Film des Jahres gekürt von der Kinema Junpo. Zwei Tatsachen welche, wenn man anmerkt das beide Filme vom gleichen Regisseur sind sowie das sie beide ähnliche thematische Angriffe auf das Geschlechterbild einer Nation werfen, doch recht absurd und auch aufschlussreich erscheinen. Warum dies so ist mag vielleicht daran liegen das Osaka Elegy den tragischen Weg einer "ehrlich" Arbeitenden Frau in die Prostitution zeigt wobei Schwestern von Gion erst in der Prostitution ansetzt. Und da in Japan die soziale Rolle eines Menschen schon oft einen große Anteil in allen Dingen des Lebens mitgespielt hat, war es wohl schwerer damals mit anzusehen wie eine Frau in die Prostitution getrieben worden ist, und das noch aufgrund der eigenen Familie welche doch in Japan so heilig ist, anstatt das Leiden von Frauen zu sehen die von vornherein schon als Geishas vorgestellt werden. Dies allein ist wie gesagt schon sehr aufschlussreich. Dies alles soll aber nicht heißen das Schwestern von Gion ein einfacherer Film ist, überhaupt nicht, Mizoguchi zeigt uns durch die zwei Schwestern zwei Frauenbilder dessen Vorstellungen mit der Welt in der sie leben müssen nicht übereinstimmen. Die altere verschreibt sich den alten Werten von Loyalität und Verpflichtung und nimmt einen damaligen Kunden bei sich zu Hause auf der früher zwar immer gut bei Kasse war nun aber Bankrott gegangen ist. Sie denkt sie habe eine Verpflichtung ihm gegenüber und sorgt sich deshalb um ihn. Die jüngere ist mehr post-modern. Sie gibt nicht viel auf Männer und benutzt den Job der Geisha um von ihnen das zu bekommen was sie gerne haben möchte. Am Ende werden beide von ihren Vorstellungen verraten und laufen gegen die Wand der sturen Gesellschaft die ihnen kein Glück erlaubt. Die letzten Worte des Filmes äußern dann auch ganz offen was Mizoguchi in seinem Film sagen wollte:
"Why do there even have to be such things as geisha?"
James Brown hat Jahre später mal eine Antwort darauf gefunden:
"This is a man's world"