Donnerstag, 26. Juli 2012

Chronicle of a Chinese Woman (Wang Bing, 2007)

"..."


OT - He Fengming
Regie & Kamera - Wang Bing
Erscheinungsjahr - 2007
Laufzeit - 186 Minuten


Eine alte Dame läuft durch leergefegte Betonhäuserschluchten. Sie hat eine kleine Tüte in der linken Hand. Mit gleichmäßigem aber bedachtem Schritte läuft sie voran. Es scheint Winter zu sein. Sie trägt eine Roten Jacke. Auf dem Boden sind kleine Eislachen über welche sie langsam drüber läuft um nicht auszurutschen. Weit und breit ist niemand zu sehen oder hören. Es ist später Nachmittag. Oder früher Abend. Die alte Frau erreicht einen Hauseingang, sie tritt ein. Die Kamera, welche ihr den ganzen Weg gefolgt ist, bleibt vor der Tür stehen. Sie ist zögerlich, will nicht eintreten. Respekt. Oder doch Ehrfurcht und Angst vor dem was man gleich hören wird. Nun sind wir im Hause der alten Dame, sie läuft durch ihre Wohnung, die Kamera bleibt in einer Einstellung. Die Frau trägt etwas Tee in einen Raum der aussieht wie ein Wohnzimmer. Sie setzt sich auf einen Sessel. Die Kamera, welche bis dato außerhalb dieses Zimmer hineinschaute springt nun durch einen Schnitt ihr direkt gegenüber. Wir sehen das erste mal das Gesicht der Dame. Ein Gesicht welches wir für die nächsten drei Stunden sehen werden, es sehen und manchmal auch Wünschen es doch vergessen zu können, es nicht sehen zu können. So ist das was dieses Gesicht, dieser Mensch erzählt doch schwer zu ertragen. Doch die Kamera bleibt ihr gegenüber. Drei Stunden lang. Sie erzählt von ihrer Jugend, wie sie die Chance auf eine gute Universität zu kommen ausschlug um den Revolutionären beizutreten. Wie selbige sie und ihren Mann dann aber als Rechte bezeichneten wegen eines Essays des Mannes über die Unfähigkeit der Gesellschaft konstruktive Kritik aufzunehmen. Wie sie daraufhin täglich diskriminiert worden sind. Wie sie nach langem leiden Verurteilt wurde, von ihrem Mann und Kindern getrennt ins Arbeitslager geschickt worden ist. Wie sie daraus entkam um ihrem Mann in einem anderen Arbeitslager zu retten welche am verhungern war. Wie sie ihn nicht fand. Wie sie leidet. Doch erzählt sie all dies in solch gleichbleibendem Ton, in solch einer Ruhe. Wie sie da sitzt in ihrem kleinen Wohnzimmer. Nur ab und an gerät die Stimme ins stocken, doch Tränen sind nie zu sehen. Und die Kamera sitzt ihr gegenüber. Ich selbst hab leider keine intelligenten Wörter parat um zu erklären warum das was Wang Bing hier gemacht hat, und wie er es gemacht, hat so verdammt groß ist. Der Kritiker Andrew Chan hat es aber gut getan, deswegen:

"[...]The American poet Muriel Rukeyser asked, “What would happen if one woman told the truth about her life?”; her answer: “The world would split open.” The tragic extremes of Fengming’s biography seem to demand such a cosmic response, or at least some physical manifestation or visual correlative onscreen, and yet that’s precisely what Wang denies us with his stable camera and minimal editing. Spoken in a small voice in the privacy of a woman’s cramped living room, truth is stripped of its melodramatic and heroic trappings—self-evident in its value, but uncertain in its efficacy as a catalyst of social (let alone supernatural) transformation. Above all, in the span of these three hours, we experience Fengming’s safety—her freedom from physical harm and the fear of greater loss—as if it were as epic a condition as political peril. We wonder how a life that has been propelled moment-to-moment by struggle adjusts to this sedate, solitary aftermath, on this side of a horrific century. Teacups sit on a cluttered table; a microwave is perched on a stand in the corner; a poster of the character fu—meaning good fortune—lies inconspicuously and without irony on the sofa. And light through a window may or may not signal the persistence of beauty. The unshakable power of Wang’s film lies in the tension between its fraught subject and its calm setting, in its desire to function as both a cry of pain and a sigh of relief."

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