Freitag, 20. Januar 2012

Disorder (Huang Weikai, 2009)

"Welcome to China...anytime, anywhere, anything could happened in this country."

OT - Xian zai shi guo qu de wei lai
Regisseur - Huang Weikai
Erscheinungsjahr - 2009
Laufzeit - 58 Minuten



Der Film beginnt mit einer Abfolge von delokalisierten Events ohne jegliche Form der Erklärung oder Exposition außer vielleicht durch aus-dem-Moment gezogenen Informationsschnipsel, verbal oder bildlich. Eine Meute räumt einen Supermarkt aus. Eine Kakerlake wird in dem Essen gefunden welches sich ein junger Herr bestellt hat. Und ein Haufen Bärenpfoten werden in einer Kühltruhe gefunden. Nach zehn Minuten augenscheinlichem Chaos erscheint der Titelbildschirm und auf schwarzem Grund erscheinen Busbuchten welche ein Wort ergeben. D.I.S.O.R.D.E.R. Durcheinander auf deutsch. Das Internet bietet hier zwei Bedeutungserklärungen: [1] verschiedene Prozesse laufen gleichzeitig, wahl- und regellos ab; [2] Dinge befinden sich im Zustand der Unordnung. Nun ist das was nach den ersten 10 Minuten abläuft wahrliche in diesen beiden Erklärungen zu erkennen doch mag ich es nicht komplett dazu kategorisieren.



Huang Weikai wühlt sich durch Berge an Aufnahmen, über 1000 Stunden an der Zahl, aufgenommen von verschiedenen Amateurfilmern sowie von ihm selbst. Dabei konvertierte er das aufgenommene in schwarz-weiß. Körniges schwarz weiß. Eine Endscheidung welche sich im Kontext des gesehenes recht erfrischend/ergänzend erweist. 1 Stunde lang werden wir Zeuge des alltäglichen Wahnsinns menschlicher Absurdität in einer koexistierenden Welt. Ein Krokodil wird in einem Kanal entdeckt und schnell bildet sich eine Menschenmenge um das Spektakel wie versucht wird das Tier dort hinaus und letztendlich fort zu schaffen. Blitze von Kameras drängeln sich wie die Körper der schaulustigen zusammen und fangen an zu Jubeln als das Tier endlich gefesselt im Rücksitz eines Wagen verschwindet. Huang verschmilzt diese Farce mit dem Fund eines Neugeborenen, knapp 3-4 Monate alt, versteckt an der Seite einer Landstraße. Nur ein paar Frauen lassen sich finden welche dem Kind etwas Milch geben und dann auf die Polizei warten. Und deshalb auch meine Zurückhaltung im Falle der Kategorisierung des Filmes als etwas "wahl- und regelloses". Huang nimmt das ihm zur Verfügung gestellte Material und versetzt es in der Zeit, schneidet es aneinander gegensätzlichen Polen oder sich vervollständigenden Ereignissen und kreiert somit in seiner "Symphonie der Großstadt", wie der Film des öfteren genant worden ist, den Kontext zwischen den Zeilen. In den Verbindungen einer langsam platzenden Gesellschaft dessen Wertesystem schon längst am verrutschen ist. Das körnige schwarz-weiß Bild verstärkt dann nur noch wie angedeutet die ständige Absurdität und Surreale Qualität des Gesehenes. Ein Ansturm von Menschlichem Leben welcher so gesehen ganz Konsequent in einem unkontrollierten Handgemenge mit Zivilbevölkerung und Polizei endet und akustisch uns dann auch über die Credits bis zum Schluss, welcher leider schon viel zu früh kommt, begleitet.
Das Leben im 21. Jahrhundert: fragmentarisch, unsortiert, enorm und irgendwie komisch.

2 Kommentare:

Michael Schleeh hat gesagt…

Schöner Text. Da bekomme ich direkt Lust, den Film nochmals zu sehen.

Gondo hat gesagt…

Danke. Das ganze geht ja auch nur eine Stunde von dem her steht da nichts im weg. Muss aber sagen das ich, wie im Text angedeutet, auch noch länger in dieser Welt verbringen hätte können.