"I don't open myself up to anyone. I don't want to."
OT - Gokushiteki Erosu: Renka 1974
Regie - Kazuo Hara
Kamera - Kazuo Hara
Erscheinungsjahr - 1974
Laufzeit - 98 Minuten
Das erste das wir zu sehen bekommen ist ein Portrait einer Frau. Ein Bild mit gewisser Passfoto Mentalität. Starrer Blick, die Kamera durchstoßend mit einem unsichtbaren Lächeln das schnell als etwas komplett anderes assoziiert werden könnte. Der Film zoomt auf sie zu und verweilt nachdem er die Augen erreicht hat einen Moment auf ihnen als ob er etwas von ihnen erwartet, sie etwas fragen möchte. Etwas in ihnen sucht. Die Antwort kommt aber nicht, ist ja eben nur ein Bild.
Eine darauffolgende Montage an Bildern dieser Frau gibt sie uns als Miyuki Takeda, geboren 1948, zu erkennen. Lebensgefährtin des Regisseurs für mehrere Jahre und Mutter seines Kindes. Viel sei passiert in dieser Zeit sagt uns der Regisseur, Kazuo Hara, aus dem Off während wir die verschiedenen Bilder dieser Frau betrachten. Doch nach einiger Zeit, als die Beziehung auf einem Höhepunkt angekommen war sagte sie sie brauchte ihren eigenen Raum und verließ Hara mitsamt des Kindes. Das mag jetzt drastisch klingen so sei aber angemerkt das wir es mit Japanern zu tun haben, anständigen Leuten die solch Drama nicht wie wir Westler in andere Dimensionen treiben. Sie besuchte ihn immer noch jede Woche, beteuert Hara sofort im Off, und teilt uns mit das sie trotz dieser Auszeit immer noch eine gute Beziehung zueinander hatten. Bis sie ihm eines Tages bekannt gab das sie nach Okinawa zieht. Was, um das mal in europäische Relationen zu setzten, so wäre wie wenn ein Berliner sagt er zieht nach Istanbul. Solch eine Distanz machte ihn angespannt und nervös da er wahrscheinlich bei solch einer Entfernung nicht in der Lage wäre mit Gefühlen zurecht zu kommen die er immer noch für sie empfand. Er musste etwas unternehmen, so seine Worte. Also, ganz der Künstler, nahm er seine Kamera machte einen Film.
Und was für einen. Kazuo Hara, welcher mit Goodbye CP eine Dokumentation machte dessen Inhalt der Akzeptanz und Beobachtung stark behinderter Menschen in einer "wegschauenden" Gesellschaft gewidmet war und wenn nicht schon durch seine penetrant bewundernswerte Durchführung dann immerhin einfach nur durch sein Sujet schon ein Wagnis war erbaut sich hiermit einen Berg dessen Gipfel zu erklimmen ein unglaubliche Erfahrung verspricht. Hara begleitet seine nun nicht mehr Lebensgefährtin durch ihr Leben, Leiden und Lieben (Eros) in Okinawa. Es ist mehr als einmal widersprüchlich wie er es schafft solch raues Verhalten und Wahrhaftigkeit aus dieser Frau zu zeigen, ist es doch generell angenommen das jegliche Situation vieles an der ihr implantierten Realität verliert wenn man eine Kamera in sie platziert. Nicht so hier scheint es. Hara filmt wie ein leise observierender Geist gleichzeitig aber auch wie ein aufdringlicher Paparazzi. Unsichtbar und aufdringlich, nie zurückweichend, selbst wenn es die menschliche Vernunft eigentlich würde, die Kamera bleibt. Seine Kamera bleibt. Der Grund dafür wird durch genaues hinhören/sehen irgendwann ersichtlich. Hara scheint eine introvertierte Persönlichkeit zu sein, so bezeichnet Miyuki ihn jedenfalls als sie mit seiner neuen Freundin redet während er sie filmt und man als Zuschauer aber trotzdem nicht merkt das er überhaupt im selben Raum ist. Die Kamera ist für ihn also kein drittes Auge wie für normale Kameramänner sondern sein einziges Auge, sein einziger Kanal um die Welt zu verstehen und sie zu erkennen. Mit ihr zu kommunizieren. Deshalb ist seine erste Reaktion auch einen Film zu machen wenn er mit Gefühlen konfrontiert wird die er zu verstehe/bewältigen versucht. Deshalb auch die natürliche Reaktion von Miyuki gegenüber ihr, der Kamera. Deshalb auch die Möglichkeit diese Frau, dies so besondere Frau, kennen zu lernen und im Gegenzug auf etwas versteckterer Ebene auch etwas über den Mann der sie Geliebt hat und nun diesen Film dreht zu erfahren.
Extreme Private Eros: Love Song 1974 scheint da also ein mehr als passender Titel zu sein. Der Film ist Kazuo Haras Love Song an diese Frau. Sein privates Porträt von ihr wie Leonardos für Mona Lisa, nur hier eben in Schwarz Weiß und mit etwas ruppigerem Sprachgebrauch. Sein Trieb nach Liebe für sie (Eros). Und die extreme Sturheit mit welcher Hara voranschreitet, Höhepunkt davon wahrscheinlich die Live Geburt von Miyukis zweitem Kind in Haras Apartment. Es ist eine Intime Baustelle, eine der Intimsten die ein Künstler je auf Bild gebannt geschafft hat. Ein Bild nach innen gekehrt und für die (eigene) Welt nach außen gezerrt. Bewältigung der eigenen Gefühlswelt auf ganz mutigem Pfade welcher die eigenen Schwächen nie verleugnet sie aber auch nie verrät oder für billige Manipulation preisgibt. Ein Kraftakt. Wahrhaftig. Und einer der schönsten (Liebes-)(Leidens-)Filme überhaupt.